Nicht jeder Patient kommt in die nächstgelegene Klinik
Die Corona-Pandemie macht auch dem DRK-Kreisverband Bad Mergentheim schwer zu schaffen. Motivierte Mitarbeiter sorgen dafür, dass die anstrengende Arbeit dennoch getan wird.
Bad Mergentheim. Die Zahl der Corona-Einsatzfahrten beim DRK-Rettungsdienst hat sich in den vergangenen acht Wochen verdoppelt. Zudem müssen immer mehr transportfähige Patienten in weiter entferntere Kliniken, zum Beispiel nach Tauberbischofsheim, Wertheim, Ochsenfurt oder Crailsheim gebracht werden, statt ins näher liegende Caritas-Krankenhaus. Das sind die konkreten Auswirkungen der hohen Corona-Infektionszahlen im Land.
Prof. Dr. Thomas Haak, der Präsident des DRK-Kreisverbandes Bad Mergentheim, und weitere DRK-Vertreter schildern im Gespräch mit unserer Zeitung die angespannte Lage und loben gleichzeitig ihre eigene Mannschaft für ihren engagierten Einsatz trotz aller Umstände und Belastungen in den höchsten Tönen.
„Aufgrund der starken Infektionslage müssen sehr viel mehr Transporte von infizierten Patienten geleistet werden. Das bedeutet, dass aufwendige Hygienemaßnahmen für das Personal nötig sind. Das Anlegen der Schutzkleidung kostet zudem wertvolle Zeit am Einsatzort. Danach müssen die Fahrzeuge komplett desinfiziert werden, was auch wieder Zeit kostet, und so lange stehen die Wagen auf dem Hof und sind eben nicht einsatzfähig“, beschreibt Prof. Haak die aktuelle Situation und ergänzt: „Hinzu kommt, dass inzwischen viele Patiententransporte nicht mehr ins nächstgelegene Krankenhaus gehen, sondern, wenn der Zustand des Patienten es zulässt, in weiter entferntere Kliniken, weil auch unsere Krankenhäuser“, wie zum Beispiel das Caritas, „an Kapazitätsgrenzen aufgrund der Corona-Lage stoßen. Auch das schwächt den Rettungsdienst, weil die Teams und Fahrzeuge durch die längeren Strecken auch eine entsprechend längere Zeit gebunden und nicht zügig wieder für neue Einsätze bereit sind.“
Haak meint weiter: „Insgesamt sind die Einsätze aufwendiger, schwieriger und nervenaufreibender geworden. Unsere Mitarbeiter im Rettungsdienst und in der Leitstelle sind Stress erprobt, aber wir haben hier bald eine zweijährige Belastungsphase, die eben auch viel Kraft kostet.“
Fleißige Mitarbeiter
Der DRK-Präsident würde sich wünschen, dass mehr Menschen geimpft und somit vor schweren Krankheitsverläufen besser geschützt sind. Er bedauert sehr, dass „wir nach einem so belastenden Jahr nicht mit unseren Mitarbeitern bei einer schönen Feier zusammensitzen und uns freuen können, dass wir es gemeinsam so gut geschafft haben“. Deshalb habe er einen Dankesbrief zusammen mit dem Geschäftsführer an alle geschrieben und einen Gutschein als anerkennende Geste für die fleißigen Mitarbeiter beigelegt.
„Trotz allen Widrigkeiten und Mehrbelastungen durch die Corona-Pandemie haben die DRK-Mitarbeiter ihre Jobs mit der gebotenen Professionalität und dem menschlichen Engagement gemacht und das, ohne zu murren – dafür sind wir sehr dankbar“, betont Haak und kommt dann auf Nachfrage auf die „große Politik“ zu sprechen: „Es ist sicher nicht ganz einfach für die Politiker, denn sie haben keine Übung in der Bewältigung einer Pandemie. Sie müssen Ansagen für Massen machen und können nicht im Kleinen erst probieren. Das macht vieles schwieriger und führt nicht immer zu sachgerechten Entscheidungen. Die Politik tut sicher das Beste, was sie tun kann, ich würde mir aber wünschen, dass nicht permanent neue Verordnungen erlassen und diese eilig wieder korrigiert werden, denn dann leiden die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen.“
Wider besseres Wissen
Mit Blick auf Querdenker und Impfverweigerer merkt Prof. Haak an: „Es ist schwer zu verstehen, warum Menschen so eine Haltung wider besseres Wissen und die Kenntnisse der Wissenschaft einnehmen, warum sie lieber Fake-News glauben, statt den offiziell anerkannten und renommierten Experten. Nicht alle Impfskeptiker sind aber gleichzeitig Querdenker! Ich habe auch viele erlebt, die sich nach ausgiebiger Beratung doch noch für eine Impfung entscheiden konnten. Es ist bei manchen nur viel Überzeugungsarbeit nötig“, so Haak.
Keine Materialnöte mehr
DRK-Kreisgeschäftsführer Klaus Eckel erklärt rückblickend, dass man zu Beginn der Corona-Krise in großen Materialnöten steckte, doch inzwischen seien Schutzkittel, Masken, Handschuhe und vieles andere mehr in ausreichender Zahl bevorratet.
Die gute Mischung der gesamten Mannschaft „aus jungen und erfahrenen Kräften“ habe alle Herausforderungen „gemeinsam hervorragend gemeistert“, so Eckel. Ihm sei wichtig, dass die Wertschätzung und Dankbarkeit der Gesellschaft und eben auch der Politik für das Geleistete immer vorhanden sind und nicht nur in Krisen, dann seien die Belastungen besser auszuhalten.
Rettungsdienstleiter Kai Schlecht bestätigt, dass die lange Laufzeit der Pandemie an den Nervenkostümen seiner Leute zehre. Als großes Glück sieht er es an, dass im Herbst vier neue Notfallsanitäter eingestellt werden konnten und so die Personalsituation gut sei.
Die Verdoppelung der Corona-Einsatzfahrten (seit November) und vor allem die längeren Wege ins Krankenhaus beschreiben seiner Ansicht nach die schwierige Gesamtlage. „Da kann es sein, dass wir am Caritas vorbei- und weiter nach Wertheim fahren, wenn es der Zustand des Patienten zulässt und dort noch ein Bett frei ist“, berichtet Schlecht: „Das ist neu für uns!“ Er ist überzeugt, dass weniger Corona-Erkrankte in die Kliniken müssten, wenn noch mehr Menschen vollständig geimpft wären.
Abschließend merkt er noch an, dass seine Kollegen und er ein Problem damit haben, ihre Arbeit gut und schnell zu erledigen, wenn sich Demonstranten vor der Einfahrt zur Notaufnahme am Caritas-Krankenhaus versammeln (wie kürzlich geschehen) und dort angeblich ihre Dankbarkeit gegenüber den Einsatzkräften und dem Pflegepersonal bekunden, gleichzeitig aber die Zufahrten zeitweise blockieren: „Das ist ein sehr widersprüchliches Verhalten.“